Rhythmus

Der Herzschlag

Schon im Mutterleib leben wir in einer Klangwelt, die von einem ständigen Pulsieren durchdrungen ist. Der Herzschlag der Mutter und unser eigener Herzschlag sind die ersten Rhythmuserfahrungen, die uns prägen. Der Herzschlag ist ein elementares rhythmisches Maß in uns. Mit ihm lebt eine Pulsation in uns, die ein bestimmtes Tempo im Verhältnis zu allen anderen Pulsationen verkörpert. Das Wissen um den inneren Puls finden wir in allen Kulturkreisen.

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Der Tactus integer valor war lange Zeit die Basis europäischer Musik und entspricht mit 60 Schlägen pro Minute einem langsamen Herzschlag. Die verschiedenen Tempi entstehen durch unterschiedliche Verhältnisse zu dieser Grundpulsation. In der Musik wirken Verzögerungen, Beschleunigungen, Tempowechsel.

Der rhythmische Grundschlag in der Musik ist das Metrum, welches jedem Rhythmus und jeder Musik zugrunde liegt (Herzschlag, Puls). Eine Aneinandereihung von Schlägen (Gleichschlag) ist noch kein Rhythmus. Erst eine sich wiederholende Betonung bringt "Ordnung in die Bewegung", macht sie als Muster, Abfolge, Struktur, eben als Rhythmus erfahrbar. In der Musik ist das einfachste rhythmische Prinzip der Zweiertakt, der mit der Rhythmik des Gehens und des Herzschlags verbunden ist. Das andere universelle Grundmuster, der Dreiertakt, entstammt der Rhythmik des Atmens. Diese Körper- und Zahllogik ist der Grund dafür, daß es keine anderen Rhythmen als Zweier und Dreier gibt. Alle anderen sind Spielformen oder Kombinationen davon.(vgl. Fritz Hegi, S.32)

Durch einfache Wechsel von Betonungen bekommen Rhythmen andere Charaktere und Wirkungen. Betonen wir im 4/4 Takt auf 1 und 3, so hören wir eher Marsch oder Rockmusik; betonen wir auf 2 und 4, also im sogenannten off-beat, so hören wir eher Polka oder Jazz; beim 3/4 Takt mit Betonung auf 1 hören wir Walzer oder Mazurka. Der Marsch z.B. dient hauptsächlich dem Gleichschritt einer Gruppe. Betonung auf der Eins bestätigt den eigenen Standpunkt, erzeugt Erdung = Schwere. Auch Beat, Rock‘n‘ Roll und Popmusik betonen den ersten Schlag im Takt. Oft werden sogar alle Schläge betont, was dem Rhythmus eben den Beat, den ,,schlagenden" Charakter gibt. Der Puls des Jazz betont mit der Entdeckung des ,,Swing" nicht mehr auf dem ersten Schlag eines Taktes, sondern meistens im Gegenschlag (off-beat). Dadurch schwingt (swingt) er unaufhaltsam treibend und trotzdem leicht. Auch die rhythmische Bewegung im Samba (Betonung auf dem leichten Taktteil, der Zwei) vermittelt ein Gefühl von vitalisierender Leichtigkeit. Die Erfahrung der ungeraden Zyklen (Taktarten wie 5er, 7er, 9er etc.) ist heute fast ganz aus dem Musikleben verschwunden. Wo rhythmische Polaritäten miteinander in Beziehung treten, entsteht eine Vitalisierung des Lebensgefühls.

Rhythmische Körperarbeit

Niemand ist „von Natur aus“ unrhythmisch. Die rhythmischen Impulse, die im Inneren eines Menschen als Herz- und Atemrhythmus schwingen, werden durch Störungen im psychischen Bereich empfindlich beeinflußt; zugleich führen diese auch zu einer Minderung der Fähigkeit, die inneren Geschehnisse wahrzunehmen. Lernen wir unsere innere Bewegung in hörbare Rhythmen der Stimme, des Klatschens, sowie in Bewegung des Körpers umzusetzen, begegnen wir auf diesem Weg nach außen Gefühlen und Zuständen unseres Körpers, die ein Spiegel unseres psychischen Bereichs sind.

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Zugleich treten wir mit der Umwelt in Kontakt und wirken auf sie ein. In dieser Wirklichkeit zeigt sich, wie sehr wir dabei zu unserem Tun stehen können oder in Verwirrung geraten, wenn unser Gegenüber einen anderen Rhythmus ausströmt. Will ich mich durchsetzen, verliere ich mich, oder gelingt es mir, zusammen mit meinem Gegenüber etwas Neues zu gestalten? So wird durch Rhythmusübungen das Finden der eigenen Basis innerhalb der Umwelt lern- und erfahrbar.
Der Weg des Rhythmus ist wie Meditation ein Lernprozeß, der die vielen Polaritäten in uns verbindet und in Harmonie bringt: das Außen und das Innen, den Beat und Offbeat, Links und Rechts, Oben und Unten. Auf dem Weg dorthin führt er uns zu den unbewußten Bereichen, in denen wir festhalten, über- oder unterspannt sind, indem wir die Wirkung spüren, die sein Schwingen in diesen Bereichen auslöst.

Therapeutisches Musizieren

Therapeutisches Musizieren bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich ohne Leistungsdruck im spielerischen Umgang mit Musik auszudrücken und dabei eigene Ideen in Spielen und Improvisationen umzusetzen. Im Vordergrund stehen nicht musikalische Lerninhalte, sondern – je nach Ausgangslage – z.B. die Förderung von Selbstwahrnehmung, Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit, sowie Erweiterung des Wahrnehmungs- und Ausdrucksrepertoires. Erfolgreich angewandt wird das Therapeutische Musizieren bei Lernschwierigkeiten, Konzentrationsschwächen, Entwicklungsverzögerungen, Schwierigkeiten im Kontakt mit anderen, psychosomatischen Erkrankungen, Hyperaktivität sowie geistigen und körperlichen Behinderungen. Ebenso können motorisch eingeschränkte Klienten angeregt werden mit Instrumenten umzugehen und nicht bekannte motorische Fertigkeiten zu entwickeln.

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Auf Grund des einfach zu spielenden Instrumentariums eignet sich Musiktherapie für jeden Menschen. Es sind keine musikalischen Vorkenntnisse erforderlich. Der Ablauf der Stunden ist vorher nicht festgelegt, sondern orientiert sich an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen. Improvisationen und musikalische Spiele, Spiellieder bilden dabei den Schwerpunkt der Stunden. Die Themen werden dabei oft von den Kindern in den Stunden selbst vorgeschlagen oder sie entwickeln sich aus dem Vorhergegangenen. Therapeutisches Musizieren kann die Lust am "Erlernen" eines Instrumentes wecken und auf diese Weise einen Einstieg in den regulären Instrumentalunterricht ebnen.

Sozialmusiktherapie

Die Sozialmusiktherapie richtet sich an Menschen, die nicht im schulmedizinischen Sinne krank sind, sondern aus den verschiedensten Gründen eine Einschränkung ihrer sozialen Kompetenz erfahren haben. Im Mittelpunkt dieses Verfahrens steht die Wiedererlangung bzw. Erweiterung der Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, zum Selbstausdruck und zur sozialen Interaktion.

Heilpädagogische Arbeit mit Musik

Dieses musiktherapeutische Verfahren wird seit vielen Jahren als gezielte Behandlung bei Patienten erfolgreich angewandt, die aufgrund schwerer Sinnesstörungen oder Schwerstmehrfachbehinderung über andere Therapien noch nicht erreichbar sind. Sie gilt als Grundlage für eine später mögliche Förderung mit anderen Mitteln und ist somit als Basistherapie zu verstehen. Sie ermöglicht den Weg aus der Isolation und die Kontakt- und Sprachanbahnung.

Klangtherapie

Die Klangtherapie ist ein spezielles Verfahren, das sich den Klang als solchen zunutze macht. Sie ist über das Vibrations- und Resonanzerleben ausgewählter Instrumente auf die Behandlung vorliegender Primärstörung ausgerichtet. Hierbei steht die physiologische Komponente im Vordergrund, die Resensibilisierungsprozesse in Gang setzt, Verkrampfungen löst und die Allgemeinbefindlichkeit verbessert. So ist dieses Verfahren besonders bei spastischen Lähmungen, Multipler Sklerose und nach Schlaganfällen geeignet.